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Der Fluss der vielen Namen | Durch Stadt und Land
Es gibt bestimmte Namen, die lassen selbst bei Stubenhockern so etwas wie Fernweh und Lust auf Abenteuer aufkommen. Der Kilimandscharo fällt in diese Kategorie, auch Sansibar und Samoa könnten dazu gehören. Bei den Flüssen sind es lange Ströme wie der Rio Grande, die Reisewünsche aufkommen lassen. Im Falle des Rio Grande wäre das eine ganz schön lange Reise. Zum einen liegt der Fluss auf einem anderen Kontinent und ist nach dem Mississippi und dem Yukon River der drittlängste Fluss der USA. Zum anderen müsste man ihn über 3000 Kilometer lang begleiten, wenn man ihn von der Quelle bis zur Mündung verfolgen wollte.
Der Fluss der vielen Namen
Colorado gilt mit seinen Rocky Mountains als einer der schönsten Bundesstaaten der USA. Zugegeben, das ist Geschmackssache. Tatsache aber ist, dass in den Bergen von Colorado einer der größten Flüsse des nordamerikanischen Kontinents entspringt. Der Rio Grande sammelt in Colorado zunächst Kraft und immer mehr Wasser und fließt dann weiter in den Bundesstaat New Mexico. Bei der Stadt El Paso kommt er in Texas an und bildet fortan rund 2000 Kilometer lang die Grenze zwischen den USA und Mexiko. Nachdem er noch zwei große Stauseen durchflossen hat, mündet er schließlich nach über 3000 Kilometern Flusslauf im Golf von Mexiko.
Auf seiner langen Reise und in den vielen Jahrhunderten, in denen an seinen Ufern die Geschichte ihren Lauf nahm, hat der Rio Grande viele unterschiedliche Namen gehabt. Seine gegenwärtige Bezeichnung – „Rio Grande“ oder „Großer Fluss“ – hat er von den Spaniern bekommen. Doch auch die indianischen Ureinwohner, die lange davor das Land besiedelt hatten, nannten ihn genauso. Nur, dass das in ihren unterschiedlichen Stammessprachen „Mets’ichi Chena“, „P’osoge“ oder „Paslápane„ hieß. Bei dem berühmten Comanchen, die ebenfalls an seinen Ufern lebten, hieß der Fluss „ocuebi“.
Doch damit längst nicht genug. Die spanischen Entdecker lernten den Fluss am Golf von Mexiko kennen, also an seiner Mündung. Dort gabe es schon vor Jahrhunderten feine Sandstrände und jede Menge Palmen. Der erste Name, den der Rio Grande von ihnen bekam, lautete deshalb „Rio de las Palmas“.
Rio Grande wurde immer wieder neu getauft
Je weiter die Entdecker ins Land vordrangen, desto öfter begegnete den Entdeckern der Fluss wieder. Da sie diesen Zusammenhang nicht sofort herstellten und meinten, „neue“ Flüsse gesichtet zu haben, wurde der Rio Grande immer wieder neu getauft. Hier eine Auswahl der Bezeichnungen, die er ganz oder auf Teilabschnitten über die Jahrhunderte getragen hat: „Río Caudaloso“ (wasserreicher Fluss), „Río Turbio“ (trüber Fluss), „Río de la Concepción“ (Fluss der Empfängnis), „Río del Norte“ (Fluss des Nordens) und „Río del Norte y Nuevo México“ (Fluss des Nordens und Neu-Mexikos). Bis auf den heutigen Tag nennen die Mexikaner den Fluss anders als die US-Amerikaner. An der Grenze zu Mexiko wird aus dem Rio Grande der Rio Bravo – der wilde Fluss.
Durch Stadt und Land
Es würde an ein Wunder grenzen, wenn die Menschen dem wilden, beeindruckenden Rio Grande einfach so seinen Lauf gelassen hätten. Und tatsächlich, sie haben es nicht getan. Stattdessen wurde er Flusslauf immer mal wieder begradigt und oft wird Wasser abgezwackt, um damit Großstädte besser zu versorgen oder landwirtschaftliche Flächen nachhaltig zu bewässern. Das sorgt seit Langem und regelmäßig für erhebliche Spannungen. Nicht nur zwischen den USA und Mexiko, sondern auch in den USA selbst, wo sich Colorado, New Mexico und Texas um das Wasser und andere Nutzungsrechte am Rio Grande streiten. Ein paar der Großstädte, die an der Ufern des Flusses liegen, sind Albuquerque, El Paso, Ciudad Juárez und Laredo.
Sein Weg von den Rocky Mountains zum Golf von Mexiko führt den Rio Grande aber auch durch einige wilde, unberührte Landschaften. Eine der eindrucksvollsten Routen, bei denen der Fluss gleichzeitig auch eine wichtige Funktion erfüllt, sind die rund 400 Kilometer durch den Big Bend Nationalpark. Dabei bildet der Rio Grande zugleich auch die Grenze zwischen den USA und Mexiko. Die vielen Eingriffe in den Lauf und den Wasserhaushalt des Rio Grande werden heute vor allem an seiner Mündung deutlich.
Während der Fluss sich einst kraftvoll in den Golf von Mexiko ergoss, scheint er heute vielmehr in einem Flussdelta sang- und klanglos zu versickern. Von dem einst „großen“ oder gar „wilden“ Fluss ist so ganz am Ende leider nichts mehr zu spüren.